Eine Fabel für Dich.
-Der Hass des brennenden Wolfes-
*
In den kasachischen Bergen
herrschte ein Machtkampf um Territorien zwischen Raubkatzen, der nicht zu einer
Lösung führte, er führte in ein Chaos.
Jene mutigen Tiere, die eine neue
Hoffnung in einer neuen Welt suchten, fanden eine friedlichere Heimat in den
Gebieten an der See im flachen Land. Gänse, Bieber, Rotkehlchen und allerhand
Andere suchten ihren Weg in den Frieden, der Weg war ein beschwerlicher, die
Zukunft ungewiss...
Die Obergans mit den anderen
einheimischen Gänsen am begehrenswerten Teich lebten seit sie denken konnten an
jenem Ort, die Gruppe verkündete der Neuankömmlin die Regeln hier am Teiche,
doch wirklich erfreut waren sie nicht über die neue Zuwanderung. Sie war
schlichtweg anders. Das mochte man nicht an diesem Ort.
Sie mochten es nicht gerne sehen,
dass jene neue Gans aus den kasachischen Bergen sich nun hier ansiedeln wollte,
sie zeigten ihr deutlich, dass die Einheimischen die Regeln bestimmten, als
würde ihnen das Land gehören, dieses freie von Göttern erschaffene Land.
Die Gänse hier wähnten sich
schläuer, sie wollten zur Winterzeit nicht gen Süden fliegen und ihre
Behausung aufgeben, sie richteten sich
an den Menschen und besetzten das Land, das sie für sich beanspruchten. Sobald
es winterte und fröstelte, wurde es zur Winterzeit Brauch bei den Gänsen dem
einheimischen Weißen Wolf im nahegelegenen Walde eine Gans zu opfern um ihn
satt zu wissen und sicher durch den Winter kommen zu koennen.
Was die Gruppe von Gänsen niemals
würde aussprechen, keine Zunge für die Ehrlichkeit besitzend, wurde im Laufe
der Jahre kaltblütige Tradition, das schwächste Geschöpf im Gliede sollte sich
stets dem Weißen Wolf opfern, so regelten die Gänse stets die Opferung.
Entscheiden tat in Wirklichkeit immer die Obergans.
Die Schwächste war die
Unangepasste. Daß die ihrige Erziehung, die ihrige Erfahrung, die ihrige Seele,
die sensibelste Natur in sich vereinte in ihr ein schönes wachsames
nachdenkliches Wesen erschuf, nutzte ihr wenig. Tatsächlich hebte sie sich hervor von der Gruppe am Teiche, schon in den
ersten Tagen wollte die Gruppe jedoch nicht akzeptieren, wie so oft, als die
ersten Blätter fielen, wusste die Gruppe, wen sie zu opfern hatte, wen sie
opfern konnte dem Wolfe.
*
Es winterte und es fröstelte im
Lande.
Die Gänse schwiegen und schickten
die Neue in den Wald. Der Weiße Wolf entdeckte den Fremdling in seinem Gebiet
und fauchte sie an sich in seinem Territorium nicht auszubreiten.
Die Unwissende beteuerte sie
wisse nicht, sie käme aus den kasachischen Bergen und sei noch neu in diesem
Gefilde und wisse es nicht besser, sie kenne sich hier nicht aus und wisse so
wenig, könne sie nur alles wissen, will sie den Wolf überzeugen, dass sie
nichts wisse und niemals alles wissen werde.
Der Wolf hob seine Klaue, die
Gans verängstigt in der Kälte verharrend musste mit ansehen wie er... in den
Schnee zeichnete!
Der Weiße Wolf fraß Gänse, ja, bei
ihr erkannte er gleich Anmut.
Er zeichnete mit seiner Klaue
einen leicht ovalen Kreis in den Schnee.
Währenddessen der Wolf: „Diese
blöden Gänse schicken alljährlich eine neue Unwissende und stören die
winterliche Ruhe des Waldes! Du möchtest verstehen, wie man mit dem Wissen
umzugehen hat. Ob man alles wissen koenne? Ich kann dir etwas zeigen, das mir
mein alter Lehrer einst erklären wollte, ich brauchte jedoch Zeit um zu
verstehen.“ Der Wolf senkte seinen Blick auf den Kreis im Schnee.
„Stelle dir vor, dieser Kreis
wäre die Größe deines Wissenstandes zu Anfang deines Lebens in deinen jungen
Jahren. Diese Fläche innerhalb des Kreises zeigt deinen persönlichen
Wissensstand. Das alles was außerhalb dieses Kreises sich befindet,
symbolisiert all das was du noch nicht weisst, das Unbekannte, das Nichtwissen,
noch unbekannte Probleme und Lösungen, Erkenntnisse und Erfahrungen, eine so
große unbekannte Fläche, dass sie bis raus aus dem Wald reicht...
Im Laufe der Jahre hast du
gelernt und erfahren, beobachtet und die Natur gelesen, dein Wissenstand wurde
größer, der Kreis breitete sich weiter und weiter aus, die Fläche des Kreises
wurde größer."
"Wenn man die Fläche außerhalb des
Kreises als unbekanntes Wissen ansieht, die Fläche innerhalb des Kreises als
das bekannte Wissen, kann man die Linien des Kreises als Grenze deines
Wissenstandes verstehen, es sind die Grenzen hin zum Unbekannten, hier an
dieser Linie endet dein Wissen hin zum Unwissen, diese Linie formuliert den
Sinn des Lebens, an dieser Grenze wirst du immer wieder auf neue Fragen stoßen
um das Unwissen zu vereinnahmen, zu umarmen, verstehen zu wollen. Der Kreis
wird nur dann größer, wenn man wissen will was man nicht weiß, wenn was einen
treibt, wenn man etwas wissen will. Nur die F r a g e kann die Grenzen des
Wissens hin zur Erkenntnis erweitern.
Je größer sich die Fläche
ausbreitet, desto größer werden die Grenzen deines Kreises. Das Dilemma und
gleichzeitig das Schöne am Wissen ist, dass dein Wissen größer wird und
gleichzeitig der Umfang, die Länge der Grenzen deines Unwissens, im selbem Maße
steigt, du bekommst mit dem Wissen gleichzeitig die selbe Menge an neuen
Fragen, als ob man mit den Erkenntnissen
nicht zufrieden sein kann weil im selbem Moment der Erkenntnis neue
Fragen entstehen, kein Teufelskreis, eine Lebensaufgabe.
Es gibt viel zu entdecken, zu
viel zu entdecken. Je mehr du weisst, desto mehr Fragen stellst du dir. Fragen,
die du dir in jungen Jahren nicht stellen vorstellen konntest, heute bist du
nicht älter, früher warst du nicht jünger, die Erkenntnis selbst ist ein
Jungbrunnen. Eine Lebensaufgabe, die nie
aufhören muss, eine Ewigkeit des Seins, hin zum Ziel zu wissen wie es besser
geht. Wie es funktioniert. Weil du weisst, weisst du, dass du nicht viel weisst
und gerade deswegen viel wissen willst, bis hin in den Tod.
Die Gänse nun am Teiche, haben an
einem Punkt in ihren Leben die Überzeugung gehabt, nicht mehr wissen zu müssen,
sie meinten sie würden genug wissen um nicht mehr wissen zu müssen, sie seien
schon schlau und intelligent genug, sie wurden eingebildet, sie stellten sich
keine Fragen mehr, warum auch, sie meinten schliesslich alles zu wissen bis sie
schliesslich aufhörten zu denken, sie dachten seitdem nicht mehr nach, ü ber die Welt, ü ber die Geheimnisse des
Lebens, ü ber Neues machten sie sich nur noch lustig...
Sie wussten es nicht besser.
Wenn ich mich zeigte und mich
unterhalten wollen würde, rennen sie verängstigt in ihre Verstecke. So muß es
doch nicht sein.
Der Hass des brennenden Wolfes
opferte die Gänse vor Wut über jene dümmlichen herzlosen und regelrecht
gemeinen Gruppentiere. Der Wolf wusste genau, dass ein Rudel unter Wölfen nur
funktioniere mit den Regeln der Gleichberechtigung und des Vertrauens, er
verachtete schlichtweg die Philosophie der Gänse am Teich, sie wussten es nicht
besser..."
Die Zuhörerin begleitete den
Wolf, sie konnte sich mit der Meinung des Wolfes identifizieren und dankte ihm
für die Zeichnung im Schnee, sie
verstand und zweifelte dennoch: „All das zu wissen schön und gut, doch
was soll ich mit dem Wissen anfangen, kann ich kleines Wesen doch nichts ändern...“
Der Wolf konnte sich ein kleines
Lächeln nicht verkneifen. Er redete ihr Mut zu, dass ihre Zweifel immer
berechtigt sein werden, sie seien die ersten Schritte hin zu einer dieser
Fragen, die beantwortet werden wollen, für die es garantiert eine Antwort geben
werde, wenn man sich die Zeit nimmt darüber nachzudenken. Der Wolf wollte ihr
nicht konkret verraten, dass er davon überzeugt sei, dass der Geist die wahre
Größe eines Wesens beweist, dass die eigenen Kräfte so schwach erscheinen
mögen, weil man sie kontrolliert, weil man sie inne hat, weil sie im Herzen
stecke, weil die Stärke im Herzen
beginnen muss und ihre Konsequenzen die Zukunft bestimmen werde, seine
Überzeugung wollte der Wolf der Gans nicht erzählen, er mochte es nicht über
solch persönliche Überzeugungen reden, jene Wesen wie dieses, eine Erscheinung
vor ihm, wird ihre Erfahrung machen, da war er sich sicher.
„Intelligenz bedeutet auch das
Leben als Frage zu sehen, zu wissen warum die Welt so ist, davon auszugehen,
als ob man nichts wüsste, als waere man noch Kind, als ob man alles lernen müsste. Als ob man
der dümmste von allen sei, stellst du die wesentlichen und wichtigen Fragen,
die dich nur vielleicht zur Lösung bringen, der Weg jedoch niemals unnütz sein
wird, da man es danach besser weiß.“
*
Du bist dein eigener Lehrer,
letztendlich kannst n u r d u
entscheiden was du wie gelernt hast.
Ich lernte, dass ich keine Gans
mag, liegt schwer im Magen, bekomme immer nur Bauchschmerzen, weißt du was ich
wirklich mag. Ich mag Erdbeeren. Erdbeeren in Honig. Ich reisse die Gänse nur
um die Erdbeeren im Walt zu düngern, ihr Fleisch, ihr Blut lässt die Erde
besser wachsen, ich bin mittlerweile ein wirklicher Fachmann wenn es um
Erdbeeren geht.
Verlegen wegen all den
Komplimenten des Wolfes und dem Vertrauen in ihr, wollte sie nichtsdestotrotz
nicht wahrhaben. Mit ihren Pfoten ohne Schwimmfalten, jenen lang gewachsenen
Ohren und einem stumpfen Schnabel sah sie sich in ihren Defiziten bestätigt in
ihren Schwächen genauso unvollkommen zu sein wie sie sich fühlte.
Der Wolf stellte die berechtigte
Frage, warum sie der Meinung sei Gans zu sein.
Ende.
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