Montag, 31. Dezember 2012

Der Boxer holt sein Abitur nach.



Lyrisches.





Der Boxer.



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„Manche fürchten zu schwimmen, andere zu fliegen.“

Rui-Ja und sein Zwillingsbruder Feng-Shi-Yu warteten am Bunker, warten auf den Boxer. Er war spät. „Dabei ist’s so einfach, lies dies, Informatik und Philosophie, du wirst es noch brauchen, Boxer. Fang bloß nicht sofort damit an! Ha, ha, Ha…“
 


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Da er mit der Bahn fuhr, hatte er genug Zeit in das Heft hinein zu blicken. Er ließe sich Zeit, warf man ihm vor. Super Fast wollten manche ihn haben. Jenen traute der Boxer von nun an nicht mehr, kein einziges Wort. Er respektierte ihr System nicht, er verteidigte ihr System nicht, er fürchtete diesen Widerspruch nicht mehr.


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„Like Vaders, tryin’ to chop my head off.“ Auf den Schienen der längeren Fahrt quer durch die Stadt, schien es dem Boxer, als habe er aus dem sich stetig beschleunigenden Fenster den wohl schönsten und merkwürdigst-gewachsenen Baum entdeckt, Schönheit ihm sofort ins Auge sprang wie kein anderes Wesen zuvor.



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Nur wenige Sekunden ließ der Zug den Blick zu. Natur. Dem Boxer fiel auf, dass die Bäume mit ihren schützenden Kronen die Häuser dieser Stadt beschützten, ein jeder in diesen Weiten seine eigene ganz besondere Würde trägt hin zum Licht und er sich wundern sollte, warum ihm ein einziger Baum so außergewöhnlich vorkam, wo ihm nun plötzlich alle Bäume ins Auge fielen.



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Die Schüler trafen sich nach langer Zeit wieder, bevor die Prüfungen begannen. Wie Freunde erzählten sie sich ihre persönlichen Erlebnisse in diesem Dschungel, diesem Schauspiel, diesem G-Mekka. In erster Linie lachten sie viel. „Zeit hat keinerlei Bedeutung in diesem Leben. Uhren, alles Huren der Zeit,“ musste der Boxer lachen.



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Der Boxer holte sein Abitur nach und fauchte zugleich den Prüfer an statt mit bürokratischem Plemm Plemm, Tamm Tamm Sig Sag das freie Denken zu stören, solle sie lieber ihren Namen aussprechen und erklären, was ihrer Meinung nach der Sinn des Lebens sei, koenne es den Schülern so eher helfen für die Prüfungen. Nur die Blätter wurden verteilt.



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Der Stift wurde schwer. Der Boxer zog mit all seiner Muskelkraft die Linien seines Geistes. Er verharrte in seinem Denken wie er es stets zu tun pflegte, musste er wissen müssen, was von ihm verlangt wurde. Tue er das alles seiner selbst Willen, stellte er sich die Frage, was erwarte er selber von sich, nicht die von ihm. 
Das Abitur wart geschafft.




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Er kreuzte die belebte Straße, zu Fuß, der Bus stand im Stau, die Motoren, die lauten Radios erzählten ihre eigene Geschichte, der Boxer verstand seine eigenen Gedanken nicht mal. Die Häuser in der Nebenstraße beruhigten das Umfeld je weiter er sich entfernte:
  „Like Vader’s tryin’ to cut my head off!“



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Der Weg führte ihn zu einer Gartenanlage, in der Stille der unmittelbaren Umgebung dem Kindergeschrei folgend. Haette der Wind nicht geweht, waeren die Blätter nicht dem Wind gefolgt, haette er sie nicht gesehen, die beiden Samurai, in voller Rüstung, zwei holzerne Kampfstäbe auf sich richtend, zwei sich langsam bewegende Statuen, 
maskiert.



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Zwei Samurai, nicht zu hören. Gerüstet befanden sie sich in einem Garten, der von Steinen mehr markiert als  von dem Rest der Anlage getrennt war. Obwohl es den Boxer zu den beiden sich langsam Bewegenden hinzog, warnte ihn  der schmale Torbogen aus Stein, wolle er keinen Kampf  anzetteln, in ihren einzutreten.



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Der Boxer folgte den Stimmen von Kindern, als er einen dritten Samurai entdeckte, ein Schwert in seiner beiden Händen haltend, trainierend, dafür. Unter einem Baum im Halbschatten, einem Baum, den der Boxer wiedererkannte, als habe er sich erinnern können, an etwas, dass er aus jener Perspektive noch nicht gesehen hatte, 171 Jahre aus dieser Erde, jenes Gefühl.



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Weiter oben in der Gartenanlage kümmerten sie sich nicht um ihn, sie spielten und schaukelten. Alle trugen dasselbe Shirt. Es sind die Kinder, die sich zu beschäftigen wissen. Trotz der Entfernung waren die Betreuer zu erkennen. Die Betreuerin, ihr Körper schien erwachsen, die Beine lang, ihr Gesicht verriet ihre Jugendlichkeit, sie lächelte. 



 Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, schaute er sie kurz an und schaute wieder weg, mit dem Kind im Arm im Gespräch mit einer Betreuerin, "wohl doch eine junge Mutter", in seinen Gedanken glänzte sie. Der Boxer näherte sich der Schaukel, worauf ein alter Mann frischen Lack auftrug. „Ich möchte studieren.“ 

Der Mann gab den Pinsel in die Hand des Boxers.